Dieser Text entstand am 18.03.2020, kurz nachdem in Baden-Württemberg aufgrund der rasanten Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 die Schulen geschlossen wurden und die Schulen eine großangelegte Homeschooling-Offensive starten mussten.

In den ersten Tagen gab es bei der durch BelWue zur Verfügung gestellten Lernplattform „Moodle“ Performanceprobleme, welche die dpa in einer Pressemeldung thematisierte, die von zahlreichen Presseorganen unreflektiert übernommen wurden. Daraufhin habe ich im Forum von linuxmuster.net meinem Unmut Luft gemacht, dieser Eintrag dient der Archivierung.

Nach 10 Stunden am Rechner noch ein Rant zur guten Nacht.

Ich frage mich wirklich, was man im Hirn haben muss, um so einen Mist zu schreiben (dpa) und warum man den Mist dann auch noch multipliziert (Heise).

  • Keinerlei Recherche
  • Keinerlei Hintergrundinfos
  • Vollkommen sinnloser Bürgerbefragungs“journalismus“

Kompletter Müll. Man kann nur hoffen, dass Microsoft dafür wenigstens bezahlen musste. Und dafür wollt ihr ein „Leistungs“schutzrecht haben, dpa? Für welche Leistung genau?

Das haben die vergangenen Landesregierungen in BW über Jahre verzockt. Die richtige Überschrift müsste lauten: „Weil die Tabletidioten der ‚neuen Digitalität‘ die Menschen, die Ahnung haben seit Jahren ignorieren, fliegts uns jetzt um die Ohren“.

Die Antwort von Belwue in den Kommentaren zeigt, was die trotz des Winterschlafs der Regierung auf die Beine stellen, und das ist beeindruckend.

Wir als Landeshochschulnetz BelWü stellen in einer Kooperation mit dem Kultusministerium seit langem Moodle für Schulen bereit. In einer Hauruckaktion seit Samstag haben wir knapp 4000 neue Moodles bereitgestellt. Zusätzlich zu den 1144 Bestandsmoodle, die seit vielen Jahren bei uns laufen. Die neuen Moodles laufen, abgesehen von verschiedenen Anlaufschwierigkeiten, die stetig abgearbeitet werden, einwandfrei. Von den 1144 Bestandsmoodle waren Stand gestern 240 Moodles auf leistungsfähiger Hardware und die restlichen 904 auf Hardware, die nun stark überlastet ist. Ein Umzug der Bestandsmoodles auf neue Hardware erfolgt seit Jahresanfang, wegen Personalknappheit aber nicht so schnell wie wir es gern hätten. In einer weiteren Hauruckaktion werden heute und in den nächsten 1-2 Tagen, spätestens dem kommenden WE auch diese Moodles umgezogen.
Kurzfassung: Moodle ist grundsätzlich ok; die meisten laufen wunderbar; die berechtigten Beschwerden von den 904 Bestandsmoodle geben in der Öffentlichkeit nun leider einen falschen Eindruck. (Leiter BelWü-Koordination)

https://www.heise.de/forum/heise-online/News-Kommentare/Digitaler-Unterricht-Lernsystem-Moodle-startet-mit-Anlaufschwierigkeiten/Klarstellung-vom-Moodle-Betreiber-BelWue/posting-36327711/show/

Wenn man früher eine klare Strategie mit Moodle gehabt hätte, wäre das heute durchaus ein Erfolgsmodell. Aber der typische iPad-Daddler kann halt nix außer Office 365 und hätte jetzt gerne, dass das alle so machen, damit seine Unfähigkeit nicht mehr so auffällt. 4K Skills, my Ass, aber nicht mehr wissen, was ne Datei ist.

Und wenn ich so kompletten Unfug wie das Folgende lese, kann ich nur hoffen dass der Typ es noch bereut, der dpa seinen Namen gesagt zu haben:

An der Gemeinschaftsschule im hohenlohischen Neuenstein, die eine Variante des Lernprogramms Microsoft 365 nutzt, ist der erste Lerntag in der virtuellen Welt gut angelaufen. „Als ich heute um acht Uhr nachschaute, waren 30 von 50 Neuntklässlern online“, erzählt Direktor Matthias Wagner-Uhl.

(Heise Artikel)

Kurz nachgedacht: Office 365, natürlich ist damit „Teams“ gemeint, als Lernprogramm zu bezeichnen, zeugt von umfassender Ahnungslosigkeit, davon auszugehen, dass die 30 9.-Klässler alle arbeiten, weil ihr Status auf „online“ steht ist einfach nur peinlich. Und wir haben noch gar nicht darüber nachgedacht, was das für uns als Gesellschaft in 10 Jahren bedeutet, wenn die Schülerinnen nur noch Microsoft, Apple und Google Produkte zu sehen bekommen haben, Datenschutz spielt in Krisenzeiten eh keine Rolle mehr.

Überhaupt, was soll denn der Mist mit den Videokonferenzen. Fällt euch nix besseres ein, als das analoge Unterrichten digital zu übersetzen, und das dann 4K Skills zu nennen, weil ihr zu faul seid, den Schülern die Inhalte ordentlich zu strukturieren? Ich habe Lehrproben gesehen, wo Lehrpersonen in iPad-Klassen PDF-Dateien per Airdrop verteilen – ja seid ihr denn noch ganz dicht?

Dann sagt der Herr Schulleiter noch:

Moodle sei ein „Krückstock“, komplex und schwer zu bedienen.

(Heise Artikel)

Ich übersetze nach meinen obigen Ausführungen: „Außerdem kann ich halt nix außer Word, und ich bin auch zu faul, mir ordentlich zu überlegen, was ich meinen Schülern zu arbeiten gebe“.

Das Land will eine überarbeitete Version von „Ella“ den Schulen erst bis zum Frühjahr 2023 anbieten.

(Heise Artikel)

Ja, nach allem was man derzeit weiß, solls ja MS Office 365 und „ItsLearning“ sein, ein „markgängiges“ Lernmanagement System – dem geht es bei der derzeitigen Last aber auch nicht besser, als den Moodles bei Belwue, nur so am Rande bemerkt:

Und dass das hier überhaupt noch läuft liegt genau an den Menschen wie den Mitarbeitern von BelWue und zahllosen Lehrerinnen (wie auch in meinem Kollegium), die sich gerade wirklich zerreissen, um die Schülerinnen in dieser Situation mit Infos, Material und nicht zuletzt auch mit warmen Worten und Witzbildchen zu versorgen. Leute die dann kommen und so einen Mist an Schulleitungen schreiben…

Besondere Zeiten verlangen ungewöhnliche Maßnahmen, Moodle ist nicht dauerhaft erreichbar, von Ella keine Spur. In meinem Unternehmen schicken wir die ganze Belegschaft in HomeOffice, wir bezahlen die Lizenz-Gebühren gerne, versuchen die Ressourcen zu sichern.
Der Anbieter PRODUKTNAME bewirbt sein Produkt durch ein kostenfreies Angebot und verspricht sich dadurch natürlich spätere Lizenzabkäufe. Ähnliches Vorgehen verspricht aktuell Rekordumsätze bei globalen Unternehmen wie z.B. Citrix, Cisco und TeamViewer. Kostenlose Angebote an Schulen und Hochschulen sind in der Softwarebranche gängige Praxis, meist nicht zum Nachteil der Institutionen.

… stehlen mir einfach nur die Zeit. Und am Rande: Unser Moodle war am ersten Tag 2 Stunden schlecht erreichbar, 10 Minuten gar nicht, sonst immer. Damit liegen wir weit vor Teams und itsLearning.

Die „Corona-Werbeaktionen“ sind einfach genau das: Werbung, und sonst nix. Und Werbung hat in der Schule nichts verloren, das weiss prinzipiell auch das KuMi: Wenn auf dem Fortbildungsserver auf dem Bild einer Anleitung an einem Reagenzglas der Hersteller erkennbar ist, wird die gelöscht – aber Office 365 für jede Schülerin in BW finden jede Menge Entscheidungsträger am Kultusministerium in Ordnung. Merkter selber, was?

So, genug aufgeregt, das musste jetzt echt mal raus.

One thought on “Moodle mit Anlaufschwierigkeiten, echt jetzt?

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