In diesem Beitrag möchte ich kurz beschreiben, wie der Übergang zum Home-Schooling an meiner Schule verlaufen ist – aus der Perspektive „hinter den Kulissen“, aus der Sicht des technischen Koordinators.

Ausgangssituation, 12.03.2020

Das Quenstedt-Gymnasium in Mössingen ist ein mittelgroßes Gymnasium in Baden-Württemberg, im März 2020 gehen 760 Schüler:innen hier zur Schule, die von ca. 85 Lehrpersonen unterrichtet werden.

Die digitale Infrastruktur besteht ausschließlich aus freier Software, das QG hat eine Schulcloud (Nextcloud) eine Lernplattform (Moodle), ein öffentliches Wiki (DokuWiki) und ein Chatsystem für die Lehrpersonen (Mattermost). An einem Chat für Schüler:innen haben wir mit verschiedener Software experimentiert, waren aber stets unzufrieden – gibts also nicht. Alle Dienste sind im Sinne digitaler Souveränität selbst gehostet, zum Teil auf gemeinsamen Servern in einem Verbund mit weiteren Schulen aus Dußlingen, Tübingen und Reutlingen, zum Teil direkt an der Schule, die über eine sehr gute Internetanbindung verfügt (1GBit symmetrisch, FTTB). Im Coronazusammenhang irrelevant, aber dennoch erwähnenswert: Auch alle Computer im pädagogischen Netz werden mit XUbuntu statt proprietärer Software betrieben.

Alle Angebote werden mit unterschiedlicher Intensität auf freiwilliger Basis genutzt.

  • Das Hauptkommunikationsmittel im Lehrerkollegium ist Mail, am Mattermost sind nur etwa 20% der Lehrpersonen angemeldet, was eine breite Nutzung praktisch unmöglich macht.
  • Das Moodle wird von ca. 35% der Lehrpersonen und etwa 25% der Schüler:innen genutzt, vorwiegend unterrichtsbegleitend in der Oberstufe.
  • Die Schulcloud wird als Daetiablage bereits seit etwa 3 Jahren fast von allen Nutzern sehr gut frequentiert, hat bei der Umstellung auf Home-Schooling aber keinen großen Effekt.

Ich selbst bin Lehrer für Mathe und Physik und betreue das Netzwerk und die Infrastruktur am QG.

Der Abend des 12.03.2020

Tagsüber verdichten sich die Zeichen, dass die bis zu diesem Zeitpunkt stets abgelehnten Schulschließungen auch in BW näherrücken, nachdem die ersten Bundesländer die Schulen bereits geschlossen haben.

Abends erreicht mich die Nachricht unseres stellvertretenden Schulleiters, dass die Lehrer an der Schule seine Frau angehalten sind, die Mailadressen der Schüler:innen einzusammeln, um diese während der Schließung mit Aufgaben versorgen zu können. Wir beraten kurz unser Vorgehen und kommen schnell zum Schluss, dass das nicht unser Weg sein kann – die Werkzeuge, das anders zu machen, waren ja alle vorhanden.

Das konkrete Problem war nun also: Wie bekomme ich alle Schüler:innen und Lehrer:innen möglichst reibungsarm ins Moodle, auch diejenigen, die damit bislang nichts am Hut hatten?

  • Das Moodle authentifiziert die Nutzer per LDAP gegen den Schulserver, im Prinzip können da also alle Mitglieder der Schulgemeinschaft rein – wenn Sie ihr Passwort (noch) kennen.
  • Die Lehrpersonen, die Moodle noch nie genutzt haben, immerhin ca. 65% des Kollegiums sollte die Möglichkeit haben, da „reinzurutschen“, ohne total frustriert zu werden.

Für gewöhnlich hat man im Moodle fachbezogene Kurse, die von der unterrichtenden Lehrperson gepflegt und betreut werden. Mir wird schnell klar, dass dieses Konzept nicht funktionieren kann, weil dann eine große Zahl von Schüler:innen in viele unterschiedliche Kurse gelangen müssten und viele Lehrpersonen ohne „Moodle-Erfahrung“ mit der Bestückung und Strukturierung zahlreicher Kurse wohl überfordert wären.

Ich lege also – anders als sonst üblich – Kurse für alle etwa 30 Klassen im Moodle an, die für jedes Fach zunächst nur einen Abschnitt mit einem Verzeichnis zur Materialablage haben und nenne das ganze „virtuelles Klassenzimmer“.

Damit vereinfacht sich vieles:

  • Jede Schüler:in muss sich am Moodle anmelden und zunächst in genau einen Kurs gelangen – in das „virtuelle Klassenzimmer“ ihrer Klasse
  • Die Lehrpersonen müssen in einem allerersten Schritt nur lernen, wie sie Material in den Vorbereiteten Order laden können. Von dort aus kann Moodle und seine Möglichkeiten dann erkundet werden.
  • Ich beginne die Dokumentation für Schüler:innen und Lehrpersonen im „Anleitungsbereich“ unseres Wikis.

Freitag, 13.03.2020

Es ist jetzt klar, dass am Montag der letzte Schultag sein wird. Die Schulleitung informiert bereits am 13.03.2020 Schüler, Eltern und Lehrer über unseren Plan.
Von der nun informierten Schulgemeinde legen auch einige direkt los, was man an der Auslastung des Moodle Servers sehr schön erkennen kann.

Das Wochenende: 14./15.03.2020

Am Wochenende verbringe ich die Zeit damit, einige elementare Erklärvideos für Schüler:innen („Wie komme ich ins Moodle“) und unerfahrene Lehrpersonen („Wie befülle ich den Klassenkurs mit ersten Materialien“) zu machen.

Die Zahl der Fragen per Mail aus dem Kollegium zur Bedienung von Moodle nimmt stark zu, schnell ist klar, dass ich das auf diesem Wege – und alleine – nicht bewältigen kann. Ich entschließe mich, die Kollegen zum Mattermost zu „zwingen“ und beginne, den Mail Support einzustellen und stattdessen mit einem Textbaustein zu antworten: „Bitte stelle deine Frage im Mattermost, wie du dich da anmeldst steht im Wiki…“.

Nach einem anstrengenden Wochenende, beginnt so der Montag, ich fühle mich gut vorbereitet 😉